Über das Leben, Schaffen und Wirken von Galsan Tschinag
Galsan Tschinag ist Nomade, Stammesführer der Tuwiner im mongolischen Altai, Schriftsteller, Schamane und Brückenbauer zwischen Ost und West.
Galsan Tschinag ist im hohen Altai am 26. Dezember 1943 in einer Jurte als jüngster Sohn des Sippenoberhauptes geboren. Es sind die Gesänge und Epen seines Volkes und die Natur der Bergsteppe, die ihn prägen. Bereits in der Schule im Internat schrieb er seine ersten Gedichte.
Seine erste Lehrerin war seine berühmte «Schamanen-Tante Pürwü», die ihn bereits im Alter von 5 Jahren in das Schamanen und Heilen eingeführt und angelernt hat.
1962 erhielt er ein Stipendium für ein Germanistikstudium, das ihn in die ehemalige DDR nach Leipzig führte. Er kannte weder die Sitten und Gebräuche der Deutschen, noch ihre Schriftzeichen oder ihre Sprache. Galsan Tschinag schreibt: “Von einem Ohr, das achtzehn Winter verhärtet haben, wollen sich die wildfremden Bezeichnungen nicht einfangen lassen. Sie sind scheuer als die Wildpferde in den Mongolensteppen. Vor allem die Substantive ähneln verteufelt den windgeilen Stuten, die an der Spitze der Herde hin und her tänzeln. Jedes hat so etwas wie ein Fohlen bei sich, den Artikel. Und ein Fohlen ist schlüpfriger als ein Fisch …“
Die grosse Herausforderung bewältige GT durch eisiges Lernen und er schloss 1968 als Jahrgangsbester summa cum laude ab. Zurückgekehrt in die Mongolei, arbeitete er als erster Diplomgermanist seines Landes als Dozent an der Staatsuniversität in Ulaanbaatar und später auch als Regierungsdolmetscher, bis er 1976 wegen »politischer Unzuverlässigkeit« mit einem Berufsverbot belegt wird. In den folgenden Jahren lebt er als Übersetzer und Journalist. 1981 erscheint in Ost-Berlin sein Erstlingsbuch Eine tuwinische Geschichte und andere Erzählungen in deutscher Sprache. 1991 wird die Titelgeschichte in der Mongolei verfilmt. Es entstehen in dichter Folge Erzählungen, Romane und Lyrikbände, vor allem in deutscher Sprache. Durch die Verleihung des Adelbert von Chamisso-Preises 1992 war es ihm erlaubt im Westen zu publizieren. Seit dieser Zeit lebt er als freier Schriftsteller am Steppenrand der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar und während den Sommermonaten im Hohen Altai bei seinem Stamm der Tuwa, dem er als Oberhaupt vorsteht.
1995 durchquerte er mit einer Karawane von 139 Kamelen, 330 Pferden, 30 Hunden, 16 Hühnern, einer Katze und 140 Tuwa in 62 Tagen auf der Länge von 2000 km in Ost-West Richtung die Mongolei, um einen Teil seines verstreuten Stammes in die angestammten Weidegebiete im Hohen Altai zurückzuführen.
Die Tuwa pflegen einen achtsamen Umgang mit der Erde und ihren Geschöpfen. Daraus erwuchs Galsan Tschinag eine Vision. Er will der Mongolei 1 Million Bäume schenken und ist auf einem guten Weg, dieses Ziel in den nächsten Jahren zu erreichen.
Verliehene Preise:
Im Dezember 2002 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz für seine intensiven Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Kulturen verliehen.
Mittlerweile sind über 40 Bücher von GT in deutscher Sprache publiziert und in 12 weitere Sprachen übersetzt. Einige Bücher wurden sogar ins Japanische übersetzt und ins Türkische.
Alle drei Bände seiner weltumspannenden Biographie sind erschienen.
«Stimmen» über Galsan Tschinag
„Galsan Tschinag ist in der zeitgenössischen Weltliteratur eine einzigartige Erscheinung und sicher der herausragende Autor der Mongolei. In seinem Werk verbinden sich die Erfahrungen seiner Tuwa-Nationalität und ihrer Kultur, die wechselhafte Geschichte der Region und seine eigene schamanische Erfahrung. Er ist ein Erneuerer sowohl der Erzählsprache wie durch die Themen seines reichen Oeuvres. Sein Werk steht für eine zukunftsweisende Erzählweise, die starke Wurzeln im eigenen Boden mit den globalen Fragestellungen unserer Zeit verschmilzt.“
Lucien Leites, Unionsverlag Zürich,
»Es mag an der besonderen Weise der Versprachlichung seiner inneren Bilder liegen, an seinem ›kultischen Verhältnis zu den Wörtern‹ gewiss auch an den Worterfindungen und -verdrehungen, dass Galsan Tschinags Bücher so ungewöhnlich daherkommen, voller eigenwilliger Poesie.
Thomas Plaul, Hessischer Rundfunk
»Ein Autor, der mit einem Werk von archaischer Wucht und feiner Psychologie fasziniert.«
Kölner Stadt–Anzeiger
„Seine Sprache ist geprägt von der täglichen Auseinandersetzung mit den Kräften der Natur, dem Versuch, ihr Wohlwollen mit Gesängen und Bittsprüchen zu erhalten. Darin wohl liegt die Kraft der Worte Tschinags. Sie holen den Leser zurück zu den Ursprüngen“.
Thurgauer Zeitung
Wer ich bin
Bin ich G.T. –
oder Dshurukuwaa
bin wohl beidesBin ich Mongole?
Oder bin ich Tuwa?
Bin wohl auch da beidesBin ich Dichter –
Oder Schamane
Oder gar Häuptling?
Bin das eine
Wie das andere und
Das wieder andere
Bin allesBin ich die Frage –
Oder die Antwort?
Bin beides
Und noch mehr:
Bin die Antwort auf manch
Nicht gestellte Frage
Und manche Fragen
Die der gegebenen Antwort
Folgen werden
SRF Aeschbacher vom 30.12.2010