Ende August 2020 bekamen 31 Tuwa-Nomaden Familien je ein Kaschmir Ziegenbock zur Zucht von Kaschmierziegen mit feinster Wolle geschenkt. Finanziert durch die Patenschaft unserer Spenden. Hinzu kamen 10 Ziegendamen durch die Galsan-Tschinag-Stiftung. DieseKaschmir-Ziegen und Kaschmirböcke sind der erste Schritt zu einer eigenen, zusätzlichen Einkommensquelle für die Tuwa-Nomaden, welche den höchsten ökologischen und sozialen Anforderungen entspricht. Die Nomaden können so bei gleichbleibendem Viehbestand hochwertige Kaschmirwolle gewinnen und verkaufen und werden damit unabhängiger, weil sie beispielsweise in einem harten Winter selbst Kraftfutter kaufen können – aber das ist erst der Anfang.
Die Tuwa-Nomaden leben seit Urzeiten von der Selbstversorgung und somit von ihrem Vieh. In der modernen Zeit, welche mittlerweile auch ihren Weg in den Altai gefunden hat, wird es zunehmend schwieriger, ganz ohne finanzielle Mittel den Alltag zu bestreiten. Durch den Klimawandel werden die Winter ausserdem zunehmend härter und die Tuwa haben in den letzten Jahren einen grossen Teil ihres Viehbestandes verloren, da die über den Sommer angehäuften Futterbestände nicht ausreichten und sie nicht über die Mittel verfügten, um im Winter Futter hinzuzukaufen. Ohne Hilfe von aussen (siehe Projekt Winterhilfe 2016 und Winterhilfe 2018) hätten die Tuwa ihre Existenzgrundlage wohl ganz verloren.
Es waren die Tuwa selbst, die auf uns zukamen mit dem Anliegen, nachhaltigere Lösungen zu finden, anstatt immer wieder auf kurzfristige finanzielle Hilfen angewiesen zu sein. Sie sind enorm dankbar für die erhaltene Hilfe, sind aber auch der Überzeugung, dass sie sich mittelfristig selbst helfen wollen und nicht jeden zweiten Winter von direkter Unterstützung abhängig sein können. So gab es im Frühjahr 2019 einen regen Austausch zwischen dem Altai und der Schweiz mit dem Resultat, dass das Kaschmir-Projekt geboren wurde.
Aus Mangel an anderen Alternativen verkaufen die Tuwa-Nomaden ihre Wolle heute an fahrende Händler, welche die Preise so weit wie möglich nach unten drücken. Die Wolle wird anschliessend über mehrere Stationen weiterverkauft und landet schliesslich in China für die Produktion von minderwertigen Textilien. Gemäss Aussage der Tuwa wird die Wolle beim Weiterverkauf oft mit Angora-Wolle «gestreckt», so dass am Schluss der Kaschmir-Anteil nur noch gering ist. Dass aus ihrer Wolle kurzlebige, qualitativ minderwertige Produkte hergestellt werden, macht die Tuwa traurig. Finanziell sind ihre Ansprüche bescheiden: Sie wünschen sich lediglich einen fairen Preis um die Familie über das Jahr zu bringen. Der Verkauf von Wolle im Frühjahr und der Verkauf von Schafen und Ziegen als Fleischprodukt im Herbst ist für sie die einzige Möglichkeit Geld einzunehmen.
Das Ziel ist es, den Tuwa-Nomaden zu einer zusätzlichen Einkommensquelle zu verhelfen, welche zu 100% in ihren Händen liegt. Die Tuwa verkaufen in absehbarer Zukunft nicht die Wolle, sondern haben einen möglichst grossen Anteil am fertigen Kleidungsstück, welches vollständig nachhaltig, fair und transparent gewonnen, produziert und verkauft wird. Mit dem Schweizer Modelabel 3MAY und seinem seinem visionären und integren Gründer und Inhaber Patrick Röllin haben die Tuwa-Nomaden dafür den perfekten Partner gefunden, der neben der ethischen Gesinnung die gesamte Expertise in Mode, Textilien und Vertrieb mitbringt. Ziel ist es langfristig, möglichst viele Arbeitsschritte in die Tuwa-Gemeinschaft zu integrieren, was nochmals zusätzliches Einkommen für die Nomaden schafft. Die ersten Prototypen werden bereits produziert.
Und was hat Open Hearts for Mongolia im Projekt für eine Rolle? Daneben, dass wir versuchen, die richtigen Menschen miteinander zu vernetzen und das Projekt von der Schweiz aus vorantreiben, möchten wir den Nomaden helfen, sich selbst zu helfen. Die Kaschmir-Wolle, welche die Tuwa heute gewinnen, entspricht noch nicht ganz den Anforderungen der besten Qualität, welche für die Herstellung hochwertiger Kleidungsstücke genutzt wird. Durch die Anschaffung von 30 reinrassigen Ziegenböcken aus einer anderen Provinz wird es den Tuwa-Nomaden ermöglicht, im Mai 2021 das erste Mal Kaschmir-Wolle von höchster Qualität (Durchmesser 20 Mikrometer und lange Fasern) zu gewinnen. Die Suche nach einem geeigneten Produktionspartner in der Mongolei läuft bereits seit Mitte 2019, so dass im Sommer 2021 direkt in die Umsetzung gegangen werden und die ersten Stücke im Herbst 2021 angeboten werden können.
Überweidung ist in der Mongolei und auch im Altai ein ernstzunehmendes Problem. Gerade die Ziegen, welche Gräser teilweise mit der Wurzel fressen, tragen dazu bei. Durch die Ansiedlung von Kasachen vor 100 Jahren und ihren Kinderreichtum ist die Dichte von Tieren bis 2016 ausserdem angestiegen. Die trockenen Sommer und die darauf folgenden harten Winter 2016 und 2018 mit extremer Kälte haben den Viehbestand jedoch auf ein ökologisch verträgliches Mass reduziert. Die Tuwa haben nicht das Ziel, ihren Viehbestand in den kommenden Jahren zu erhöhen, sondern möchten nachhaltig und mit dem Bestehenden wirtschaften. Deshalb ist von Anfang an klar, dass die produzierten Kleidungsstücke nicht in Massenproduktion, sondern in kleinen und limitierten Stückzahlen hergestellt werden. Die Tuwa Nomaden gehen sehr achtsam mit der Natur um. Sie praktizieren ihre Naturreligion, den Schamanismus, der Hand in Hand mit dem Buddhismus geht und sehen die Natur sogar als «beseeltes und begeistetes» Wesen. Alles was sie haben kommt aus der Natur, die achten und ehren sie.
Die Vision von Galsan Tschinag 1 Million Bäume zu pflanzen benötigt viel Einsatzwille, Engagement und Durchhaltevermögen. Open Hearts for Mongolia unterstützt und begleitet das Projekt finanziell und fachlich. Nur Dank freiwilligen Baumspendern können die nötigen finanziellen Mittel generiert werden, um dieses Projekt erst zu ermöglichen.
Jede Kultur hat kulturelle und auch religiöse Zentren, wo ein sozialer Austausch und Rituale stattfinden können. Mit dem Wiederaufbau des buddhistischen Klosters Rashdechinlen in Tsengel soll eine solche Begegnungsstätte für die Tuwa-Nomaden geschaffen werden.
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