Das mongolische Neue Jahr des Wasser Tigers | Open Hearts for Mongolia

Das mongolische Neue Jahr des Wasser Tigers

Die Mongolen feiern ihr Neujahr nach dem Mondkalender. Sie nennen es: Tsagaan Zar, was übersetzt «weisser Monat» oder «weisser Mond» heisst. Alle Nomaden haben an Tsagaan Zar Geburtstag und die Feierlichkeiten gehen über drei Tage und drei Nächte.

Der letzte Tag des alten Jahresweiter geht es nicht

Am 1. Februar 2022 ist in der Mongolei der letzte Tag des Jahres vom Rind und an diesem Tag werden alle Dunkelheiten der vergangenen zwölf Monate abgelegt und der Weg für das Jahr des Tigers geebnet.

So machen alle am «Silvestertag» auch in der Jurte oder im Haushalt weiterhin Ordnung. Der Tag heisst Bitüün, was wörtlich heisst: ohne Umkehr, ohne Ausgang. Auf gut deutsch: Sackgasse. Weiter geht es nicht mehr, man muss einen neuen Weg einschlagen.

An diesemAbend werden die Speisen und Getränke geordnet auf den Tisch der Jurte oder Stube hingereiht, damit am nächsten morgen das Fest des neuen Jahres gleich anfangen kann. Und es wird dabei gut, das heisst soviel gegessen, bis es nicht mehr gehen will. Früher wurde an diesem letzten Tag des Jahres ein Oberarm vom Rind gekocht und das Fleisch, in dünne, mundgerechte Scheiben geschnitten, unter alle Anwesenden des Abends verteilt und vertilgt. Dieses Glied heißt auf Tuwa: Öshün. Diese Benennung erinnert klangmässig an Ösch – Hass – und wenn das Essen beendet ist, sagt das Oberhaupt des Stammes an alle gewandt: Öshün ist hin, also darf kein Platz für Ösch (Hass) bleiben. Alle Kränkungen, die ihr im gerade vergehenden Jahr habt hinnehmen müssen, seien damit auch vergessen. Und dann zerschlägt man den losen Knochen und verteilt auch das Mark so gut es gehen will unter alle. Und einer der jüngeren, mit kräftiger Stimme, ruft, die Tür aufmachend hinaus in die Finsternis: Öshün dsharyldy!!!
(Auf mongolisch: Atgaal chagarlaa!!! Interessant, dass in diesem mongolischen Wort für das gleiche Körperglied, klangmässig zwei Worte negativen Inhaltes stecken: Ataa –  Neid, Missgunst, Eifersucht und Atgag – Hintergedanke, Zweifel, Verdacht).

Wichtig auch zu wissen, im Alltag darf man einem Gast oder einem Fremden überhaupt jenes Glied, Öshön, nicht schenken, noch vorsetzen. Geschähe dies, wäre es eine diplomatische Ankündigung: pass auf, ich bin mit dir verfeindet! Die Tuwasprache enthält eine dies bezügliche Wortverbindung: Öschtügge öshün – dem Verhassten den Oberarm.

Der erste Tag im neuen Jahr am 2.2.2022

Die ersten Spuren werden hinterlassen
An diesem ersten Tag des Jahres wird früher als gewöhnlich aufgestanden und als erstes geht jedes Familienmitglied in seine horoskopmässig passende Gehrichtung und hinterlässt die ersten Spuren.

Der erste Tee des Jahres wird getrunken
Dann, wenn die Sonne aufgegangen ist, findet die Dsolgoo –  die Begegnungen – statt. Der Älteste setzt sich hin und alle Jüngeren kommen der Altersreihe nach auf den Sitzenden zu und grüssen ihn, meistens mit einem Hadak oder einem Geldschein oder einem anderen Geschenk in der Hand. Und dann wird der erste Tee des Jahres getrunken, dem die Buuz (gefüllte Teigtaschen) folgen, dabei wird auch das Uuz (gekochtes Fleisch) vom Ältesten angeschnitten und kleine Schnipsel werden unter alle Anwesenden verteilt.

So der Anfang. Wie es weitergeht, darüber bestimmt das Leben selbst. Fest steht in der heutigen Praxis, dass alle, die die Jurte betreten, mit einem zu mindest symbolischen Geschenk kommen und die Jurte mit einem Gegengeschenk verlassen werden…

Auf keinem Tisch fehlen darf das traditionelle Neujahrsgebäck, Ul Boov genannt, fehlen (Sohlenkuchen- weil es die Form einer Schuhsohle hat). Das Holzmodel, in dem der Kuchen geformt wird, sind oft alte Familienmuster. Die Kuchen werden kunstvoll auf dem Tisch aufgestellt in verschiedenen Schichten. Die Anzahl Schichten richtet sich nach dem Status der Familie, der Anzahl Kinder, Enkelkinder und Nachkommen und nach dem Alter des ältesten Mitglieds der Familie, also entweder 3,5, 7 oder 9 Lagen. Man sagt heute zum erlebten Leben eines Menschen – «so viele Socken» hat er erlebt, frühe hiess es «so viele Schuhsohlen» hat er erlebt, daher kommt die Form des Gebäcks und symbolisiert das erlebte Leben und die Erfahrungen. So wünscht man sich noch mehr Erfahrung.
Der Mensch hat fünf Arten von Körper in einem: Fleischkörper, Knochenkörper, Blutkörper, Luft- bzw. Geistkörper sowie Aussenfeuerkörper, auch Aura genannt. Auf dem von dieser Welt gegebenen Körper kommt noch dazu der Verstand und das Wesen aus der Hinterwelt. Somit ist der Mensch eine Schöpfung zweier Welten. Darum stellt man meistens den Gebäckturm mit 5 Gebäckstücken auf, um die 5 Körper zu symbolisieren. Also das Alter und der Körper ist auf einem Tisch.

Die erste Lage bedeutet «Glück», die zweite Lage «Unglück» und die nächste ungerade Lage korrespondiert wieder mit dem Glück. Deshalb sollte die oberste Lage immer eine ungerade Zahl – also «Glück» sein. Dazu kommen obendrauf noch weisse Speisen besonders natürlich getrockneter Quark (Aaruul), Zucker und Süssigkeiten. Weisse Speisen bedeuten immer, das Beste was wir haben und Reinheit. Nach dieser Farbe sind die Wünsche für das neue Jahr ausgerichtet, denn jede Jurte soll über die nächsten 12 Monate kein Mangel an weissen Speisen und Getränken haben.

Ein gekochter Hammel steht ebenfalls während des Weissmondfestes auf dem Tisch, und jeder Gast schneidet sich ein herzhaftest Stück Fleisch ab.

Tsagan Zar im Altai
Am Neujahrsmorgen noch vor Sonnenaufgang gehen die Männer zum Familien-Ovoo und warten dort auf den Sonnenaufgang. Sie werden in allen 4 Himmelsrichtungen je 3 kleine Feuer auf einem flachen Stein und ein grösseres Feuer auf dem Ovoo anzünden. Im Gebet wird gedankt und auch um den Segen für die Familie, die Freunde und das Vieh für das neue Jahr gebeten. Es ist sehr, sehr kalt und kann gut bis zu minus 45 °C haben an diesem Morgen. Die Frauen bleiben in der Nähe der Jurte und zünden dort ein kleines Feuer an und räuchern Wachholder. Auf dem Herdfeuer in der Jurte kochen sie Milchtee und Fleisch und bereiten den Tisch vor. Wenn die Sonne die Nacht abgelöst hat, dann kommen die Männer zurück in die Jurte an den festlich gedeckten Tisch und werden mit heissem Milchtee, der erste Tee des Jahres begrüsst, begrüsst.

Immer muss der Jüngere den Älteren den höchsten Respekt zeigen, was auch heisst, der Ältere empfängt sitzend den Jüngeren, der ihm mit einem kleinen Geschenk auf einem seidenen Gebetschal (Hadak) über den Händen die besten Neujahrswünsche überbringt. Der Jüngere wird vom Älteren an den Wangen «berochen» und ebenfalls die herzlichsten Wünsche zum Ausdruck gebracht. Jeder Nomade trägt seinen schönsten Deel, das traditionelle Kleidungsstück der Mongolen.

Während drei Tagen mindestens ist es ein ständiges Kommen und Gehen in den Jurten. Viele, viele Besucher kommen von frühmorgens bis in die späte Nacht hinein. Jedem Besucher, auch wenn eine ganze Schar kommt, wird stets die höchste Ehre zu teil. Immer wird frischer Milchtee über dem offenen Feuer gekocht, kalte Speisen und frisch über dem Wasserdampf zubereitete Booz serviert. Der Älteste oder «ranghöchste» der Jurte und der Gäste wird eine Rede halten, dazu wird Milchschnaps oder Vodka getrunken. Für jeden Gast wird eine neue Flasche geöffnet, weil dem Gast nur das reinste und Beste zugesprochen wird.

Zwischendrin werden die besonders «Mondkalender-Kundigen» der Nomaden immer wieder gefragt, was der Mondkalender für den Einzelnen, die Sippe und die Gemeinschaft für das Jahr aussagt. Es ist für die Nomaden sehr wichtig, dass sie in diesen Tagen so gut es geht alle Nachbarn, Freunde und Verwandte besuchen und auch auf der anderen Seite wieder genügend Zeit zu Hause verbringen, um die eigenen Besucher zu empfangen. Auch ohne Outlook-Terminregelung und Doodle-Terminfindungen scheint jeder Nomade zu wissen, in welcher Himmelsrichtung die anderen Nomaden gerade sind. Selbstverständlich darf auch der Besuch beim Schamanen nicht fehlen.


Open Hearts for Mongolia schliesst sich herzlich gerne den guten Wünschen an.

Wie wünschen allen im Jahr des Wassertigers Frieden, Frieden im Herzen, Frieden in jedem Haus und Frieden in jedem Land.

Galsan Tschninag und Sohn Galtai
Der Vorstand von Open Hearts for Mongolia

×