Das Leben der Nomaden im Sommerlager | Open Hearts for Mongolia

Das Leben der Nomaden im Sommerlager

Galsan Tschinag schreibt in seinem Buch «Mein Altai» über den tuwinischen Sommer…

Im tuwinischen Sommer schwimmt die Welt in Pracht und Fülle. Es ist die Zeit der Regen, die der Erde und all ihren Bewohnern die Härte des Winters und Frühjahrs vom Leib waschen. Es ist die Zeit des Branntweins, der Feste und der Lieder, die den Herzen alle Nähte und Falten umstülpen. Altai wir brauchen dich in Glück und Unglück. Du bist kein Festkleid, das wir nur an Sonntagen anlegen. Was hast du nicht alles mit ansehen müssen? Wie oft bist du Zeuge von Geburt und Tod, von Treue und Verrat, von Sieg und Niederlage geworden? Und was musst du jetzt erleben, immer grauer, ewig junger Altai? Sie ziehen fort, verlassen dich. Weil irgendwo in der Fremde gemahlener Weizen gegessen wird statt getrockneten Quarks, weil das Fleisch dort aus dem Teller einer Waage geholt wird statt von der Herde am Bergkamm, weil man dort die Hosen über Brettern herunterlässt, Bretter vor dem Gesicht, statt über Stein und Gräsern, den Sternenhimmel vor Augen. Deine Berge sind für die nur noch Haufen aus Stein und Erde, deine Flüsse nichts als rinnenden Wasser das Durst stillt und Schmutz abwäscht, deine Wälder nur Holz zum Behauen und Verbrennen und deine Steppen öde, staubige Weiten, beschwerliche Entfernungen… 

Buch Galsan Tschinag, «Mein Altai»

Die Jurte erwacht
Die Frauen stehen mit der Dämmerung auf und zünden als erstes den Herd an, dann wird Wasser für den Tee aufgesetzt, bestimmt so drei Liter, denn heisser Milchtee wird den ganzen Tag getrunken, abgefüllt in grosse Thermoskannen. Ständig kommen ja auch die Nachbarn und Gäste zum Tee trinken. Dann geht die Frau mit einem kleinen glühenden Holz vor die Jurte und entzündet auf einem kleinen Stein-Altar Wachholder um den Tag zu segnen. Bei jeder Jurte liegt ein grosser Vorrat an gesammeltem Dung als Heizmaterial für den Ofen. Holz wird nur zum Anzünden genutzt, weil es sehr kostbar ist. Danach wird gefrühstückt.

Die Tiere werden zu den Weiden geführt
Jeden Tag geht ein Hirte aus der Familie, meistens ist es ein Kind, mit den Herden zu weiter entfernten Weiden, die Yaks werden hoch hinauf in die Berge geführt. Am späten Nachmittag kehren Hirten und Herden zurück zu den Jurten.

Das tägliche Schaffen in der Jurte und in der Steppe
Zu den täglichen Verrichtungen wie das Melken der Yaks, Schafe und Ziegen gehört die Verarbeitung der Milch zu den Hauptaufgaben. Die Milch wird zu verschiedenen haltbaren Produkten verarbeitet, die für die Nomaden als Nahrung für die Wintermonate dient, wenn keine Tiere geschlachtet werden. Fleisch wird getrocknet und Milch zu Butter/Ghee verarbeitet und getrockneter Quark in verschiedensten Variationen verarbeitet. Und natürlich wird auch Milchschnaps destilliert.


Das achstsame Leben, gepägt von Arbeit und Heiterkeit – also Lebenshilfe
Die Nomaden gehen immer wieder zu ihren heiligen Gebetsstätten, den Ovos, und machen Ihre Zeromonien. Beten und Danken für den Segen des Himmels.
Die Kinder messen sich im Ringen und Bogenschiessen und freuen sich über das Beisammensein mit den Tieren.


Schafe, Ziegen, Pferde
Die Schafe müssen im Frühsommer geschoren werden, die Ziegen gekämmt und die Fohlen bekommen ihr Brandzeichen. Die Gemeinschaft steht einander bei. Alle helfen der einen Familie und am nächsten Tag gehen alle zur nächsten Familie. Wie wertvoll jedes Tierwesen für die Nomaden ist, lässt sich gut erklären, wie achtsam sie zum Beispiel ihren Fohlen das Brandzeichen platzieren. Da wird natürlich zuerst der Himmel und Unterstützung gebeten, es muss der richtige Tag sein. Das Feuer, in dem die Brandeisen erhitzt werden, wird gesegnet. Zuerst aber wird das Brandeisen in Milch getunkt (Sie erinnern sich, Milch ist das höchste Gut, dass die Tuwiner haben) somit wollen sie dem Fohlen sagen, du bist selber sehr wertvoll und wir wollen dir nicht wehtun, nach dem Brennen wird die Wunde mit Ghee eingeschmiert. Es ist fast ein spielerisches Tun, damit die Tiere keinem unnütigen Stress ausgesetzt sind.

Das Leben mit der Natur und den Tieren ist ALLES
Das Eintauchen und Mitfliessen mit dem täglichen Schaffen im Bei- und Miteinander mit Mensch und Tier ist geprägt von der höchsten Achtung für die Natur. Jeden Morgen wird erst einmal in den Himmel geschaut und gebetet. Das Leben mit ihren Tieren bedeutet ALLES für die Nomaden, Existenz, Lebensinhalt, Freude, Glück, Identität. Sie sind Teil der Natur, also des Welthaushaltes. Die Hirten stellen sich nicht der Natur gegenüber, sie sind Teil davon und zwar dienend, empfangend, gebend aber niemals beherrschend. Die Nomaden sind kämpferisch und gleichzeitig auch schicksalsergeben. Das Nomadenleben und das Sippenleben hat sie Jahrhunderte lang geprägt. Das Wohl der Gemeinschaft steht an oberster Stelle.

In der ersten Augustwoche sind alle Männer ins Tal zu den ihnen zugewiesenen Stückchen Land zum Heuen gefahren. Die bescheidene Heuernte wird im Winterlager aufbewahrt. Zum der neuen Methode, Hafer anzusäen und wie der Stand ist, haben wir noch keine Informationen erhalten.

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