Wir haben vor einem Jahr sehr ausführlich über den Sippen Ovo der Irgits (Sippe der Tschinags) berichtet.
Am Dienstag, den 7. Juni 2022 fand das diesjährige Ovo Fest statt und wir, Ruedi Patt und Barbara Simeon durften dabei sein. Auch dieses Datum wird nach dem Mondkalender ausgesucht. Schon Tage vorher wurde unter den Kindern und Nomaden besprochen, wer an diesem Tag auf die Herden aufpasst und wer «frei» hat. So haben einige Kinder extra ein paar Tage mehr, als notwendig die Tiere gehütet, damit sie am Ovo Fest dabei sein konnten. Die Aufgaben unter den Nomaden wurden verteilt. Die einem übernahmen Arbeiten rund um das Vieh, die anderen die Aufgaben für das Ovo Fest.
Die Pferdeherde musste am Vortag von einem Nomaden weit in den Bergen gesucht werden und am Morgen des Festes zum Ovo getrieben werden. Darunter natürlich das besondere Pferd, dass letztes Jahr «den Geist des Ovos» bekommen hat, und nie mehr arbeiten muss oder einen Reiter tragen, es darf frei leben. Es wurde wieder mit einem geweihten Hadak (Schal) geschmückt und hat im Trab von Enkbayer und Galtai geführt, drei Mal neun Mal den Ovo umrundet.
Galtai, als Oberhaupt (wir erinnern, Galsan hat die Verantwortung an Galtai übertragen und hat aufgrund seines Alters jetzt lediglich repräsentative Pflichten) der Tuwa und besonders der Irgit- Sippe, zu deren Ehre der Ovo steht, persönlich zusammen mit Mönkhöö am Vortag einen Hammel geschlachtet. Das Fleisch wurde gekocht und in grossen Schüsseln zum Ovo Fest mitgenommen und alle konnten davon essen.
Die Frauen haben am Morgen grosse Teller und Schalen mit weissen Speisen, Quark in verschiedenen Formen, und bunten (die Geister lieben bunte Farben) Bonbons in verschiedenen bunten Schalen bereit gestellt, viele Liter Milchtee gekocht und in grosse Thermoskannen gefüllt. Auch wir haben kräftig unseren Beitrag geleistet und uns mit vielen bunten Bonbons und einigen Flaschen Vodka und Tabak als Opfergaben beteiligt.
Ein Hammel wurde für das Fest geschlachtet Es war ein buntes Treiben und viele Menschen aus der Sippe von Galsan kamen, es waren bestimmt an die 130 Menschen, von ganz klein bis sehr alt. Sie kamen aus allen Richtungen, zu Fuss, zu Pferde, mit dem Motorrad, Kleinbus und Auto, alle voll beladen bis auf den letzten Zentimeter. Ein angehender Schamane und die Schamanin, die die «Geister des Klosters übertragen bekommen hat», beide aus Tsengel waren auch anwesend. Der Zeremonienmeister war Enkbayer in Abstimmung mit Galtai und er gab klare Regieanweisungen der Abfolge und der Rituale. Kinder haben ein Gedicht aufgesagt oder ein Lied gesungen, wie auch alle Anwesenden in einen Gesang eingestimmt hatten. Der Wind blies sehr kalt über die Hochebene. Nachdem alle Rituale vollzogen waren, alle Anwesenden kräftig gegessen und getrunken hatten, wurde alles zusammengepackt und die Pferde- und Wagenkolonne machte sich auf den Weg ins Tal zum Platz, wo seit 10 Jahren das Altai Nadam Fest ausgetragen wird. Jetzt sollte der zweite Teil des Ovo Festes folgen.
Der Wettbewerb der drei Nationalsportarten: Pferderennen, Ringkampf und Bogenschiessen.
Die Steppe war «blanc». Wir bestaunten wie alle im schaffigen Miteinander aus einer Steppenwiese innert kurzer Zeit einen Festplatz mit mongolischem Zelt, Lautsprecher und Mikrophon Anlage, Abstecken des Ringkampfplatzes (eigentlich wurden lediglich die Dunghaufen und grössten Steine zur Seite gerollt) bereit machten. Eine ungefähre Schiesslinie wurde definiert und 50 m am anderen Ende lagen die kleinen Lederbälle hinter einem kleinen Erdwall, die abgeschossen werden mussten.
Die 16 Rennpferde, alle ohne Sattel, wurden von jungen Nomaden, schätzungsweise im Alter zwischen 10-18 bestiegen, einer streifte noch schnell seine Stiefel ab bevor er losritt. Der ganze Tross musste erst zum Start reiten. Das muss erklärt werden. Die Rennstrecke darf nicht in Flussrichtung verlaufen, deshalb müssen alles Pferde mit Reiter erst einmal 16 km im Trab zum Start reiten, begleitet von 2 Schiedsrichtern auf Pferd und Motorrad. Dann geht es die ganze Strecke zurück im Galopp, das Ziel ist etwas oberhalb des Festplatzes, das von einem grossen weissen Stein markiert ist, dieser wiederum ist gleichzeitig ein heiliger Ort der Familie von Galsan. An diesem wurde auch zuerst im engen Familienkreis gebetet und Opfer dargebracht.
Alle Wettkämpfe fanden synchron statt, lediglich die Endausscheidungen nacheinander. Es war ein lautes Freudengeschrei, als die Pferde und Reiter weit in der Steppe gesichtet wurden. Für Ross und Reiter war es sicherlich anstrengend, aber wir sahen nur glückliche Gesichter, stolze Pferdebesitzer und Eltern.
and the winner is:
Der seit Geburt taubstumme Harty, mittlerweile ein junger Mann von 22 Jahren, wurde stets vom ganzen Volk mit seiner Behinderung integriert, ebenso sein um 2 Jahre älterer Bruder, der ebenfalls taubstumm ist, und seit 2 Monaten in der Baumschule im Hadat in UB Arbeit gefunden hat. Die Kommunikation über Zeichensprache funktioniert hervorragend. Die beiden Brüder sind bei allen beliebt und sie wiederum sind sehr hilfsbereit und liebenswürdig. Harty hat sowohl am Bogenschiessen wie auch beim Ringkampf teilgenommen. Beim Bogenschiessen schaffte er es in die Endrunde und wurde Sechster. Beim Ringkampf wurde er sogar Zweiter und scheiterte an einem kampferfahrenen und technisch überlegenen Gegner. Das anwesende Volk bejubelte Harty und er freute sich sehr.
Nach den Siegerehrungen, mit Preisgeschenken und Urkunden wurde am Abend in Windeseile wieder alles abgebaut und zusammengepackt. Auch für uns ging es weiter, wurden wir doch bereits in einer Jurte zum Essen erwartet. Nach diesem Besuch erwartete uns noch eine weitere Familie, die extra für uns gekocht hatte. Damit nicht genug: Unsere Herbergs-Jurten-Mutter wartete nach Mitternacht, als wir endlich «nach Hause» kamen, mit einer frisch gekochten und von Hand gemachten Fleisch-Nudelsuppe auf uns…Ablehnen war keine Alternative. So «rund-um» gesättigt und zufrieden fielen wir irgendwann auf unser Schlaflager und dachte glücklich an diesen wunderschönen Ovo-Fest Tag bei dem wir dabei sein durften, was eine sehr grosse Ehre für uns war.
Einige Abgeordneten des mongolischen Parlaments planen durch das grösste Naturschutzgebiet der Mongolei eine über 300 km lange Autohandelsstrasse und einen Grenzübergang nach China zu bauen um die Grundlage der Westmongolen zu verbessern, heisst es. Der alt/neue Grenzübergang „Naransevstei“ soll eine direkte Verbindung mit der chinesischen Provinz „Gansun“…
Ein neues Zeitalter hat begonnen. Die Gemeinschaft der Nomaden, das Sippenleben, bot ihnen über Jahrhunderte Schutz und Rettung. Das Spannungsfeld, dass die neue Zeit mit den Herausforderungen brachte, fordert einen radikalen Wandel. Die unvorhersehbaren Wetterphänomene, die Einbindung der Selbstversorger in den Geldkreislauf oder das Internet mit den (Ver) Lockungen…
Galsan Tschinag hat mittlerweile 39 Bücher in deutscher Sprache geschrieben. Davon wurden 15 in andere Sprachen übersetzt, hauptsächlich in Englisch, aber auch in Französisch, Japanisch, Türkisch und natürlich in Mongolisch. Das jüngste Buchkind «Der blaue Himmel» wurde ins Mongolische übersetzt und dazu wurde eine schöne Veranstaltung in Ulaan Baatar…